Die deutsche Glasindustrie hat ihre Schwächephase hinter sich gelassen und wächst wieder moderat. Die Glashersteller konnten in allen Produktsegmenten 2015 sowie im 1. Halbjahr 2016 zulegen. Hauptexportmärkte sind für Glasproduzenten wie Glasmaschinenhersteller die Märkte in Westeuropa vor Asien und Amerika. Die Maschinenbauer erwarten jedoch zunehmende Nachfrage aus dem Iran und den Maghreb-Ländern. Industrie 4.0 ist auch in der Glasbranche ein großes Thema mit Chancen für KMU.
Die Glasindustrie hat ihr Tief überwunden und ist nach einer längeren Phase der Konsolidierung wieder zuversichtlich. Bereits 2015 konnte sie ein leichtes Umsatzwachstum gegenüber dem Vorjahr erzielen (+1,1% auf 9,19 Mrd. Euro). Der beginnende Aufschwung setzte sich im 1. Halbjahr 2016 noch deutlich dynamischer fort.
Der Umsatz der Glasbranche insgesamt, darunter Flachglashersteller, Flachglasveredler sowie die Glasfaser-, Spezialglas- und Hohlglasindustrie belief sich von Januar bis Juni 2016 nach Angaben des Bundesverbandes Glasindustrie e.V. (BV Glas) auf 4,38 Mrd. Euro, ein Plus von 3,7% gegenüber dem gleichen Vorjahreszeitraum.
EU-Länder bleiben größte Absatzregion für deutsche Glasprodukte
Im Jahr 2015 gingen nach Regionen 61,1% der deutschen Glasexporte in die EU (2014: 62,9%), gefolgt von Asien: 12,6% (2014: 12,0%), und Amerika: 11,2% (2014: 10,5%). Hauptabnehmerländer waren Frankreich (10,9%), die USA (9,1%), Österreich (6,5%), die Niederlande (6.4%), VR China (5,8%) und die Schweiz (5,6%).
Ausfuhr von Glas und Glaswaren (in Mio. Euro, Veränderungen in %)
Produkt
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2014
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2015
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Veränderungen 2015/14
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Flachglas (Basisglas)
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532,5
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537,8
|
1,0
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Veredeltes und bearbeitetes Flachglas
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1.799,4
|
1.953,6
|
9,0
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Behälterglas
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717,6
|
725,1
|
1,0
|
Kristall- und Wirtschaftsglas
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498,3
|
494,0
|
-0,9
|
Glasfasern, Mineralwolle
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625,1
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640,6
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3,0
|
Gebrauchs- und Spezialglas
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1.431,5
|
1.528,2
|
7,0
|
Sonstiges
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125,7
|
228,7
|
82,0
|
Gesamt
|
5.730,1
|
6.108,0
|
7,0%
|
Quelle: Statistisches Bundesamt, BV Glas
Größte Exportposition mit starkem Wachstum (+8% auf 1,95 Mio. Euro) war 2015 veredeltes und bearbeitetes Flachglas. Hierbei dreht sich viel um Wärmedämmung, Sonnenschutz oder Selbstreinigung, was durch spezielle Beschichtungen erreicht wird. Auch Sicherheitsglas und einbruchhemmendes Glas wird laut Verband zunehmend nachgefragt. Die positive Stimmung unter den Flachglasherstellern ist vor allem der anziehenden Konjunktur im Automobilsektor und im Bauhauptgewerbe geschuldet. So rechnen die Unternehmen der Baubranche 2016 mit weiter steigenden Aufträgen. Profitieren konnten auch die Glasfaserproduzenten. Ihr Umsatz stieg im 1. Halbjahr 2016 um 13,8% auf 625 Mio. Euro (Inland: +15,4%, Ausland: +11,3%).
Nachfrage nach multifunktionalem Glas
Function meets glass, war eines der Themen der diesjährigen "Glasstech" der Weltleitmesse der Glasbranche, die vom 20. bis 23.9.2016 in Düsseldorf stattfand. Dabei ging es um spezielle Verfahren und Technologien zur Herstellung und Bearbeitung von Funktionsgläsern, das heißt von hochpräzise hergestellten und bearbeiteten Dünngläsern für Display-, Touch-, Smart- und Solarganwendungen.
Das sogenannte Smart Glas ist multifunktional. Es kann zwischen Licht und Schatten unterscheiden, Energie erzeugen und Wärme regulieren. In der Kommunikations- und Unterhaltungselektronik sind insbesondere gehärtete Gläser, zum Beispiel für Smartphones und Touchscreens besonders stark nachgefragt.
Wettbewerb im Glasmaschinenmarkt verschärft sich
Die hohen Anforderungen an die Glaseigenschaften erfordern auch hochinnovative, effiziente Produktionsanlagen. Hierbei konnten deutsche Glasmaschinenhersteller in vielen Bereichen bislang ihre Technologieführerschaft weltweit behaupten. "Noch geht es der Branche gut", sagt Holger Zippe, Vorsitzender des Forums Glastechnik beim Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). Der Wettbewerb auf den Märkten habe sich jedoch verschärft. Es gelte, die Kosten im Griff zu behalten, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Während sich Neuinvestitionen auf niedrigem Niveau bewegten, kämen laut Zippe Impulse eher durch Ersatz- und Verbesserungsinvestitionen.
Die Glasmaschinenbranche erwartet für das Jahr 2016 einen Umsatz von rund 1 Mrd. Euro. Die Hauptexportmärkte liegen in Westeuropa. Dr. Helmut Jodeit, Geschäftsführer der Jodeit GmbH und stellvertretender Vorsitzender des Forums Glastechnik des VDMA sieht jedoch Impulse durch eine zunehmende Nachfrage aus dem Iran, den Golf- und den Maghrebstaaten sowie Ägypten. Dort hätten oft branchenfremde Abnehmer Interesse an ganzheitlichen technischen Lösungen und Dienstleistungen (Training, Know-how und Produktionsbegleitung). Mehr Wettbewerb sieht der VDMA künftig aus dem Vereinigten Königreich, da durch die Pfund-Abwertung die Maschinenbauprodukte der Briten günstiger auf den Weltmärkten angeboten werden könnten, wovon auch deutsche Firmen betroffen wären.
Industrie 4.0. für effiziente Produktionsprozesse
Innovative Technologien der Glasbearbeitung und Industrie 4.0 spielen für die Hersteller eine zunehmend wichtige Rolle. Ziel dabei ist es, durch effiziente Betriebsabläufe, sprich Automatisierung und Digitalisierung, die Produktionskosten zu senken. Durch die Möglichkeit sämtliche maschinenbezogenen Daten über Sensoren zu erfassen, ließen sich auch Maschinen- und Stillstandzeiten sowie Wasser- und Stromverbrauch abrufen. So könnten wichtige Kennzahlen zur Kosteneinsparung ermittelt werden, erklärte Software Experte Dr. Jan Schäpers gegenüber dem Fachmagazin "Glaswelt".
Maschinen und Werkstücke, die direkt über spezielle Schnittstellen miteinander kommunizierten, könnten laut Linus Schleupner, Wirtschaftsprofessor an der Rheinischen Fachhochschule Köln, Produkte individueller, schneller und günstiger produziert werden. Gegenüber der Presse erläuterte Schleupner, dass durch Vernetzung mit Kunden und Markt Unternehmen darüber hinaus in der Lage wären, das Einkäuferverhalten genau zu erfassen und ihr Warenangebot zu optimieren. Dadurch entstünde ein auf den Kundenbedarf zugeschnittenes Sortiment.