Prof. Dr.-Ing. Linda Hildebrand, Juniorprofessorin für Rezykliergerechtes Bauen an der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule Aachen, forscht in der gleichen Richtung, nicht nur beim Glas, sondern bei allen Baustoffen. Denn leider fallen noch immer mehr als die Hälfte der gesamten Abfälle in Deutschland im Baubereich an und der Ressourcenhunger sinkt trotz nachhaltigerer Produkte zu langsam. Der Wandel von einer linearen zu einer zirkulären Bauwirtschaft ist darum unabdingbar und hätte enormen Impact für die Abfallvermeidung, Klima- und Ressourcenschutz. Ein wirklicher Wandel ist noch nicht erreicht, auch weil die Baubranche zu komplex und kleinteilig erscheint, um einen wirklich tiefgreifenden Systemwandel schnell zu erreichen.
Linda Hildebrand und Lisa Rammig, Fassadenspezialistin bei Eckersley O`Callaghan (EOC), möchten mit ihrer internationalen Initiative „CircuClarity“ Industrie und Forschung näher zusammenbringen. „In der Betriebsphase von Gebäuden wurden der Energiebedarf und die Emissionen in den letzten Jahren bereits stark reduziert, soweit wie es nach dem Stand der Technik derzeit möglich ist. Der Fokus verschiebt sich darum auf die Ressourcen und die Graue Energie“, so Hildebrand. „Ein ökologisches Gebäude definiert sich über die Eigenschaften seiner Materialien.“
Viele Unternehmen gestalten neue Produkte heute entsprechend dem Ansatz ‚Design-for-disassambly‘, das auch eine Stärke des Fassadenbaus ist, so können beispielsweise Pfosten-Riegel-Konstruktionen leicht rückgebaut werden. Die erneute Verwendung oder Aufbereitung von Systemen, Komponenten und Materialien wird also für morgen mitgeplant und erleichtert. Hildebrand: „Was zum Beispiel Glas betrifft, ist ja bekannt, dass man es theoretisch unendlich oft recyceln kann, aber wir können noch viel früher ansetzen, um Fenster zu ertüchtigen oder eine Scheibe davorzusetzen und es einfach weiter im Bestand zu lassen.“ Großes Potenzial sieht darum auch Hildebrand im Re-Use von gebrauchten Bauteilen, der hochskaliert eine unmittelbare, positive Wirkung auf die Klimaneutralität haben könnte. „Hier ist die große Herausforderung heute vor allem das Auffinden von sekundären Rohstoffen und Materialien und das Verwalten von Produkt- und Umweltdaten.“ Mit ihrem B2B-Unternehmen „Concular“ vermittelt sie darum bereits gebrauchte Bauteile und berät bei Problemlösungen die den Abbruch von Gebäuden betreffen.
Ein Beispielprojekt mit Modellcharakter ist das Rückbauprojekt der Solar-Produktionsfabrik Adlershof. Die Verwaltungsgebäude und die Produktionshalle wurden nicht nur rückgebaut, sondern „eins zu eins“ in Rumänien wiederaufgebaut, die Ressourcen wurden im Kreislauf gehalten und CO2-Emissionen für einen Neubau vermieden.