Zirkuläres Bauen: Grundlagen

Das Bauwesen ist einer der ressourcenintensivsten Sektoren der Weltwirtschaft. In Zeiten zunehmender Ressourcenknappheit und beispielsweise vor dem Hintergrund der angestrebten Klimaneutralität in der EU, gewinnt das Konzept des zirkulären Bauens an Bedeutung. Was steckt dahinter?

Der Ansatz des zirkulären Bauens zielt darauf ab, den Ressourcenverbrauch zu minimieren, die Lebensdauer von Gebäuden zu verlängern, Abfälle zu reduzieren und somit Städte langfristig nachhaltiger zu machen.

Zirkuläres Bauen basiert auf den Prinzipien der Kreislaufwirtschaft, die auf Wiederverwendung, Reparatur, Wiederaufbereitung und Recycling abzielt. Es unterscheidet sich von der linearen Bauweise, die Ressourcen verbraucht, Produkte herstellt und Abfälle produziert. Bauweisen und Materialien, die am Ende ihrer Lebensdauer wiederverwendet oder recycelt werden können sollen bevorzugt und im besten Fall ausschließlich eingesetzt werden. Das Konzept setzt auf umweltfreundliche Materialien, erneuerbare Energien und innovative Technologien

Die Bauprozesse im zirkulären Bauen sind sorgfältig geplant und auf Nachhaltigkeit und Ressourceneffizienz ausgerichtet. Sie unterscheiden sich erheblich von traditionellen Bauweisen und umfassen mehrere Schlüsselphasen:

1. Planung und Design

• Modulares Design: Gebäude werden modular entworfen, was bedeutet, dass sie aus vorgefertigten Bauteilen bestehen, die leicht montiert und demontiert werden können.
  Flexibilität: Strukturen sind flexibel gestaltet, sodass sie leicht an zukünftige Nutzungsänderungen angepasst werden können.
• Materialwahl: Materialien werden sorgfältig ausgewählt, basierend auf ihrer Langlebigkeit, Wiederverwendbarkeit und Recyclingfähigkeit.

2. Materialbeschaffung

• Recycling und Wiederverwendung: Vorrangig werden recycelte und wiederverwendbare Materialien eingesetzt.
• Nachhaltige Quellen: Materialien stammen aus nachhaltigen Quellen, z.B. FSC-zertifiziertes Holz.

3. Vorproduktion

• Fertigung von Bauteilen: Möglichst viele Bauteile werden vorgefertigt. Dies reduziert Abfall und ermöglicht eine präzisere Kontrolle der Materialqualität.
• Standardisierung: Standardisierte Bauteile erleichtern den Austausch und die Wiederverwendung.

4. Bauausführung

• Montage vor Ort: Vorproduzierte Module und Bauteile werden auf der Baustelle montiert. Dies verkürzt die Bauzeit und minimiert Baustellenabfälle.
• Minimale Eingriffe: Bauprozesse sind darauf ausgelegt, den Eingriff in die Umwelt zu minimieren, z.B. durch geringere Bodenversiegelung.

5. Nutzung und Wartung

• Langlebigkeit und Flexibilität: Die Gebäude sind für eine lange Lebensdauer und einfache Anpassung an veränderte Nutzungsanforderungen ausgelegt.
• Einfache Wartung: Durch den Einsatz modularer Systeme können Bauteile bei Bedarf leicht ersetzt oder repariert werden.

6. Rückbau und Wiederverwendung

• Demontage statt Abriss: Am Ende der Nutzungsdauer werden Gebäude demontiert, nicht abgerissen. Dies ermöglicht die Wiederverwendung der Bauteile.
• Recycling: Materialien, die nicht direkt wiederverwendet werden können, werden recycelt und in den Materialkreislauf zurückgeführt.

Demontage und Trennung: Eine der größten Herausforderungen ist die Demontage von Gebäuden und die saubere Trennung der Materialien. Viele herkömmliche Bauweisen machen es schwierig, Materialien ohne Beschädigung zurückzugewinnen.

Qualitätserhaltung: Es ist wichtig, dass die Materialien bei der Wiederverwendung ihre strukturelle Integrität und Qualität behalten. Insbesondere bei Beton und Holz kann dies eine Herausforderung sein.

Logistik und Lagerung: Die Logistik der Rückgewinnung und Lagerung von wiederverwendbaren Materialien kann komplex und kostenintensiv sein. Materialien müssen oft zwischengelagert und transportiert werden, was zusätzliche Ressourcen erfordert.

Normen und Vorschriften: Es gibt oft regulatorische Hürden, da viele Baunormen und -vorschriften auf den Einsatz neuer Materialien ausgelegt sind. Die Verwendung wiedergewonnener Materialien muss diesen Standards entsprechen, was zusätzliche Prüfungen und Zertifizierungen erfordern kann.

Marktakzeptanz: Die Akzeptanz wiedergewonnener Materialien auf dem Markt ist noch nicht überall gegeben. Es bedarf eines Bewusstseinswandels bei Bauherren und Investoren, um die Vorteile zirkulärer Baumaterialien voll zu erkennen und zu nutzen.

Zirkuläres Bauen bietet viele Möglichkeiten, mit ebenso vielen Herausforderungen – als Konzept der Zukunft.

Zirkuläres Bauen ist ein realistischer Weg, das Bauen ressourcenschonender und nachhaltiger zu gestalten. Vieles steckt noch in den Kinderschuhen - oft fehlen geeignete Materialien, klare Richtlinien und praktische Erfahrungen. Doch der Druck zum Umdenken wächst. Mit zunehmender politischer Unterstützung, digitalen Lösungen und wachsendem Know-how dürfte der Kreislaufansatz in den nächsten Jahren an Bedeutung gewinnen. Wer sich heute damit beschäftigt, ist morgen besser vorbereitet.

• Birk, T., & Eßig, M. (2024). Zirkuläres Bauen erfolgreich umsetzen. Landesanstalt für Umwelt Baden-Württemberg (LUBW). https://pd.lubw.de/10662
• Stricker, E., & Brandi, G. (2021). Bauteile wiederverwenden: Ein Kompendium zum zirkulären Bauen. Zürich: Park Books.