Ungefähr zwei Drittel der Primärenergie gehen weltweit als Abwärme verloren. Allein in Deutschland könnten rund 60 Millionen Tonnen Kohlendioxid (CO2) eingespart werden, wenn industrielle Abwärme konsequent vermieden bzw. genutzt würde. Und das Jahr für Jahr. Dies wäre gut für das Klima – und lohnt sich auch betriebswirtschaftlich.
Der bisherige Umgang mit Abwärme ist häufig nicht sinnvoll, dies lässt sich einfach verdeutlichen: Elektrische Energie – also Strom – wird als die „edelste“ Form von Energie bezeichnet. Er wird meist aufwendig und verlustreich erzeugt und ist extrem vielseitig einsetzbar. Schade um den edlen Strom ist es insbesondere dann, wenn er lediglich Ventilatoren oder Wasserpumpen betreibt, die Wärmeenergie abführen. Dies ist doppelte Energieverschwendung, denn diese thermische Energie könnte genutzt und der Strom sinnvoller eingesetzt werden. Heute ist es aber noch immer üblich, die bei industriellen Fertigungsprozessen anfallende und nicht unmittelbar benötigte Wärme aufwendig mit Elektromotoren an die Umwelt abzuführen. Doch die Nutzungsmöglichkeiten industrieller Abwärme finden inzwischen immer häufiger ihren Weg in die Praxis.
Was ist industrielle Abwärme?
Industrielle Abwärme ist die ungenutzte thermische Energie, die bei verschiedenen industriellen Prozessen entsteht. In der Regel wird sie einfach in die Umwelt abgeleitet. Abwärme kann in hohen oder niedrigen Temperaturen auftreten und ist meist das Ergebnis von industriellen Tätigkeiten, bei denen Hitze eine Hauptkomponente ist.
Beispielsweise entsteht in der Stahlproduktion in beträchtlichem Maße Abwärme, da hier hohe Temperaturen erforderlich sind, um Eisen zu schmelzen und zu formen. Ähnlich ist es in der Chemieindustrie, bei der Wärme für chemische Reaktionen erzeugt wird, oder in der Lebensmittelverarbeitung, wo Wärme oft für die Pasteurisierung, Sterilisation und das Kochen von Lebensmitteln verwendet wird. Auch in Kraftwerken, in denen Wärme für die Erzeugung von Dampf und anschließend für die Stromerzeugung verwendet wird, entsteht Abwärme.
Beispiel
Die Venner Energiegenossenschaft nutzt die Prozesswärme aus Europas größter Waffelbäckerei. Durch das angeschlossene Wärmenetz werden 170 Wohnobjekte mit Wärme versorgt. In das Infrastrukturprojekt der Genossenschaft wurden zu Beginn 4,5 Mio. Euro investiert. Die Einsparungen betragen durch die eingesetzte Nahwärme rund 1.100 Tonnen CO2 und mehr als 400.000 Liter Heizöl.
Vorteile der Nutzung industrieller Abwärme
Ohne Abwärmenutzung kann die notwendige Dekarbonisierung in Deutschland nicht gelingen – das betont das Bundesumweltministerium bei seinen jährlichen Abwärmefachtagungen in Berlin. Dort wird auch geschätzt: Abwärme hat in Deutschland das Potenzial, fast die Hälfte aller Haushalte mit Heizenergie versorgen. Die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen und deren Importe können ebenfalls reduziert und damit die Energiesicherheit verbessert werden.
Betriebswirtschaftlich lohnt sich die Abwärmenutzung ebenfalls in vielen Fällen: Sie verbessert die Energieeffizienz, indem sie den Energieverbrauch und die damit verbundenen Kosten reduziert. Außerdem kann sie eine Einnahmequelle sein, da überschüssige Energie als Wärme oder Strom in entsprechende Netze eingespeist werden kann. Und aus Marketingsicht kann die umweltfreundliche Abwärmenutzung zu einer positiven Wahrnehmung des Unternehmens beitragen.
Die Abwärmenutzung wird zudem aus öffentlicher Hand gefördert, daher können sich Investitionskosten meist in wenigen Jahren amortisieren. Fördergelder werden in Deutschland insbesondere vom Bundeswirtschaftsministerium zur Verfügung gestellt. Ansprechpartner für diese Programme ist das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle (BAFA). Auch die bundeseigenen KfW-Bank vergibt zinsgünstigen Kredite für Abwärmenutzung. Ergänzt werden diese Fördermöglichkeiten von Programmen der Bundesländer, Regionen und Kommunen.
Wie kann industrielle Abwärme genutzt werden?
Da Abwärme in verschiedenen Temperaturen und Qualitäten auftritt und es an den jeweiligen Orten ihres Auftretens unterschiedliche Voraussetzungen für die Nutzung geben kann, sind die Nutzungsmöglichkeiten entsprechend vielfältig. Dies sind die gängigsten Methoden:
Abwärme als Wärme nutzen: Eine der direktesten Möglichkeiten zur Nutzung von Abwärme ist die Verwendung der Wärme in anderen Teilen des Produktionsprozesses oder zur Gebäudeheizung. In vielen industriellen Prozessen wird Wärme benötigt, und die Verwendung der Abwärme kann helfen, die Notwendigkeit für zusätzliche Energiequellen zu verringern. Dies kann auch auf Warmwasser- oder Dampfsysteme angewendet werden, wodurch die Energieeffizienz weiter verbessert wird.
Abwärme in Kälte umwandeln: Abwärme auch zur Erzeugung von Kälte verwendet werden. Mithilfe von Absorptionskältemaschinen, die Wärme anstelle von mechanischer Energie verwenden, kann Abwärme in nutzbare Kälte umgewandelt werden. Dies kommt insbesondere in Industriebranchen zum Einsatz, die Kühlsysteme benötigen, wie beispielsweise die Lebensmittelverarbeitung oder bestimmte Chemieprozesse.
Abwärme in Strom umwandeln: Mit Hilfe von Technologien wie der Organic Rankine Cycle (ORC) Technologie oder Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen kann Abwärme in elektrischen Strom umgewandelt werden. Der Strom kann dann entweder selbst genutzt oder ins öffentliche Netz eingespeist werden. Dies stellt eine sehr effiziente Möglichkeit dar, um ungenutzte Wärme in nützliche Energie umzuwandeln.
Kaskadennutzung: Bei der Kaskadennutzung wird Abwärme, die bei hohen Temperaturen entsteht, in mehreren Stufen zur Erzeugung von Wärme bei niedrigeren Temperaturen genutzt. Beispielsweise könnte die Wärme zuerst zur Stromerzeugung, dann zur Heizung und schließlich zur Kälteerzeugung verwendet werden. Auf diese Weise wird die vorhandene Wärmeenergie maximal genutzt und es wird sichergestellt, dass so wenig Energie wie möglich verschwendet wird.
Zudem kann die Abwärme durch Einsatz von Wärmespeichern auch zeitlich versetzt genutzt werden.
Besonders hohes Potenzial: Abwärme aus Rechenzentren
Die Abwärme von Rechenzentren beträgt in Deutschland rund zehn Milliarden Kilowattstunden pro Jahr – Tendenz steigend. Das Potenzial der IT-Wärme lässt sich bereits im Kleinen gut nachvollziehen: So hat ein Prozessor eines handelsüblichen Computers eine Wärmeleistung, die etwa viermal höher ist als die einer Herdplatte. Allein die Abwärme der deutschen Rechenzentren könnte bereits heute der Wärmebedarf von etwa zwei Millionen Einfamilienhäusern decken.
IT-Abwärme wird aufgrund des kontinuierlich ansteigenden Datenverkehrs zunehmend interessanter. Dabei geht es insbesondere um Abwärme aus Rechen- und Serverzentren. Und in Frankfurt am Main, wo rund 40 Prozent aller Großrechenzentren Deutschlands stehen, kann laut Berechnungen des Borderstep Instituts künftig der gesamte Wärmebedarf durch Rechenzentren gedeckt werden.
Beispiel
Das Abwärmeprojekt im Frankfurter Quartier „Westville“ des Serveranbieters Telehouse Deutschland das hierzulande bislang größte Vorhaben zur Nutzung von Serverabwärme in der städtischen Fernwärmeversorgung vor. Rund 3.000 Anwohner*innen werden bis spätestens 2025 von der Abwärmenutzung profitieren und so 400 Tonnen CO2 pro Jahr einsparen.