Eine schnelle und signifikante Erhöhung des Scherbenanteils gestaltet sich durch die weitaus zu geringe Gesamtmenge des Glases aus dem „End-of-Life“ von Gebäuden und Komponenten als schwierig, denn Floatglas ist ein außerordentlich langsam drehendes Wirtschaftsgut. Erst in den kommenden Jahren erreichen Gebäude aus den 1970er-, 80er- und 90er-Jahren die Wertstoffhöfe; derzeit sprechen wir von meist älteren Gebäuden mit weitaus geringerem Glasanteil in der Gebäudehülle, als das heute üblich ist. Bis über 3fach-Isoliergläser oder großformatige Fassaden mit mehr Glas fürs Recycling zu erwarten ist, wird es dauern – hochwertige Isoliergläser sind langlebig und überdauern ohne Funktionsverlust mehrere Jahrzehnte. Das verdeutlichen auch die Zahlen: In Deutschland fallen nach den letzten veröffentlichten Zahlen des Bundesverband Flachglas e.V. jährlich etwa 521.000 Tonnen Scherben an. [1] Davon stammen 350.000 Tonnen aus Altgebäuden, die restlichen 171.000 Tonnen gelangen aus Glas verarbeitenden Betrieben(,) mit deutlich höherer Reinheit zum Recycler. Demgegenüber stehen jährlich 1,67 Millionen Tonnen Floatglas, die für den Einsatz in Gebäudeanwendungen neu in den Markt gelangen. Aufgrund der zuvor genannten Umstände fließen insgesamt jedoch letztlich nur 101.000 Tonnen (19 Prozent) einem modernen „Closed-Loop“ folgend vom Recycler zurück in die Floatglas-Wannen. Der größere Teil, rund 235.000 Tonnen (45 Prozent), verlässt den Closed-Loop in Richtung Hohlglas, weitere 165.000 Tonnen (32 Prozent) gelangen in die Produktion von Dämm-Materialien und weiterer mineralischer Baustoffe. Wer rechnen kann, bemerkt: Immer noch landen 20.000 Tonnen (4 Prozent) der Scherben in der Endstation, auf der Deponie, wenn diese keinem anderen Zweck zugeführt werden können.
Selbst wenn Lösungen gefunden werden, um die bestehenden Scherben aus Altgebäuden in idealer Qualität zu bergen: Mehr als ein Drittel der jährlich in den Markt eingebrachten Gesamtmenge an Glas wird bis auf Weiteres nicht aus Gebäuden zu schöpfen sein; ihr Glasanteil in den Fassaden ist zu gering, große Formate und Dreifachisoliergläser sind vorerst nicht zurückzuerwarten. Die Scherben aus eigenen Produktionsbetrieben hinzugerechnet, wären rechnerisch rund 40-50 Prozent Recyclingquote bei den Floatglasherstellern realisierbar – wenn die Scherben nicht auch in anderen Industrien gebraucht würden. Ein größerer Zuwachs wird erst dann realisierbar, wenn die ersten Dreifachverglasungen, größere Scheibenformate und Glasfassaden aus Gebäuden auf den Recyclinghöfen eingehen, die um den Jahrtausendwechsel aufkamen.
Auch herstellereigene Netzwerke und Systeme wären prüfenswert, um sich „End-of-Life“-Isoliergläser und Scherben zu sichern. Dieser Meinung ist auch Tim Janßen, geschäftsführender Vorstand und Mitbegründer des gemeinnützigen Cradle to Cradle NGO: „Herstellerunternehmen sollten in ihrem eigenen Interesse daran arbeiten, neben ihrem Produkt auch ihr Geschäftsmodell an Cradle to Cradle zu orientieren und zirkulär zu gestalten. Das kann beispielsweise bedeuten, Glas als Service in ein Gebäude für eine bestimmte Nutzungszeit einzubringen, um nach Ablauf dieser Zeit das Produkt und die darin enthaltenen Rohstoffe zurückzuerhalten, anstatt das Eigentum daran zu verkaufen.“ Modulare Fassaden und die Gebäudeausstattung mit Glas und Fenstern könnten zukünftig im Leasing erfolgen. „Glass as a Service“ könnte so für eine geplante, regelmäßige energetische „Aktualisierung“ von Gebäuden sorgen und einen konstanteren Rückfluss von Isoliergläsern in „Re-Use“, „Re-Manufacturing“ und Recycling gewährleisten – wenn auch weiterhin in sehr langfristigen Intervallen.