Einsatz von KI in der Flachglasindustrie
Moderne KI-Algorithmen basieren häufig auf maschinellem Lernen oder so genanntem „Deep Learning“. Maschinelles Lernen als Teilgebiet der Künstlichen Intelligenz konzentriert sich auf die Entwicklung von Algorithmen, die aus Daten lernen können, ohne explizit programmiert zu werden. Sie identifizieren Muster und Beziehungen in den Daten und treffen auf dieser Grundlage Vorhersagen oder Entscheidungen. Deep Learning ist wiederum eine Methode des maschinellen Lernens, die vielschichtige, tiefe neuronale Netzwerke nutzt. Diese Netzwerke sind enorm leistungsfähig bei der Verarbeitung von Daten, weil sie komplexe Strukturen in riesigen Datenmengen erfassen und abstrakte Merkmale hieraus extrahieren können. Genau hier liegt „noch viel Potenzial für die Flachglasindustrie“, wie Peter Seidl, Leiter Produktmanagement beim Maschinenhersteller Grenzebach, berichtet. Die Technologie-Innovatoren bedienen die Flachglasindustrie mit maßgeschneiderten Automatisierungslösungen für die Produktion und Weiterverarbeitung von industriellem Floatglas. Seidl: „Für viele der Prozesse in den hochautomatisierten Fabriken ist erfahrungsgemäß nichts wichtiger als ein erfahrener „Operator“, also Maschinenführer, an allen wichtigen Positionen vom Schmelzofen bis zur Überwachung aller Prozesse in den IT-Zentralen. Hier ist die Industrie in modernen Fabriken schon sehr weit und die Effizienz der Glasproduktion und die resultierende Glasqualität mit herkömmlichen Mitteln fast am Ende der Optimierbarkeit. Der Einsatz von Deep Learning KI bietet trotzdem noch viel Potenzial, insbesondere bei der Fehlererkennung – und Bewertung.“ Wer sich die Fortschritte der Flachglasindustrie anschaut, staunt: Vor einigen Jahrzehnten konnten die in der Produktion eingesetzten Kameras nur gute von schlechten Scheiben unterscheiden, heute sind die Systeme so performant, dass eine Vielzahl von Daten permanent für die Fehleranalyse bereitgestellt wird. Seidl erläutert: „Durch die Analyse von Bildern und über Sensoren erlangte Informationen können Deep Learning Modelle kleinste Defekte, ganze Fehlerbilder oder Unregelmäßigkeiten im Produktionsprozess schnell und präzise identifizieren, erkennen Muster in den Daten und können Rückschlüsse auf potenzielle Ursachen ziehen. Diese Bewertungen kann die KI dann in Handlungsempfehlungen für die jeweiligen Operator überführen, um die Produktion ‚on the fly‘ zu optimieren. KI kann erfahrene Mitarbeiter nicht ersetzen, sie kann sie jedoch mit zunehmend besseren Informationen versorgen und unterstützen.“
Auch die Komplexität der gesamten Reise des Glases vom heißen bis zum kalten Ende des Produktionsprozess ist ein ideales Einsatzfeld für KI: Gemenge, Glasschmelze, Heizung, Kühlung und Zuschnitt. Ein komplexes Zusammenspiel über viele Anlagenbereiche und hunderte Parameter und Zustände, die sich oftmals gegenseitig beeinflussen. Dies ist selbst für erfahrenste Operatoren nur schwer zu durchschauen und beherrschbar. Störungen treten unvermittelt auf oder zeichnen sich schon als Trend ab. Ein früher Hinweis KI-unterstützter Systeme kann sie jedoch aufgrund kleinster Indikatoren voraussagen und gegebenenfalls vorab verhindern. Seidl erklärt: „Voraussetzung ist allerdings, dass das Wissen um alle Stationen im Prozess digitalisiert und vorverarbeitet wird, die KI muss angelernt werden, um schlussendlich Korrelationen zu erkennen. Dabei lernt sie ständig mit, Dickenänderungen, Klimabedingungen, sämtliche Einflussfaktoren – irgendwann ist die KI in der Lage, alle Faktoren zu erfassen und zu bewerten.“
Auch die ISRA Vision GmbH nutzt bereits KI-Systeme. Das Unternehmen bietet Inspektionslösungen für die Glasindustrie an, die nach eigenen Aussagen 100 Prozent der Fehler bei Floatglas und verarbeiteten Produkten erkennen, bei voller Produktionsgeschwindigkeit und mit zuverlässiger Echtzeit-Klassifizierung. ISRA-Systeme überwachen den vollständigen Prozess, um die Glas-Ausbeute ressourcen- und energieschonend zu optimieren. Ein konkretes Beispiel für den Einsatz von KI ist die Lösung „EPROMI“, wie Florian Sterzing, R&D Team Leader Data Analytics bei ISRA Surface Vision, zu berichten weiß. „Diese Lösung macht die in Produktionsdaten verborgenen Potenziale sichtbar und hilft bei der Ableitung von Entscheidungen entlang der Wertschöpfungskette. Dafür sammelt sie Daten aus Inspektionssystemen und anderen zur Verfügung stehenden Quellen, bereitet sie auf und visualisiert sie in intuitiven Dashboards. Das wichtigste und am heißesten diskutierte Entwicklungsgebiet ist derzeit die prädiktive Analytik, in der KI-unterstützte Systeme historische Trends analysieren, Muster entdecken, Engpässe oder Ineffizienzen vorhersehen und so stetige Prozessverbesserungen einleiten können.