Re-Use: Skalierbar, direkt wirksam, disruptiv
Knaack sieht das größte langfristige Potenzial im Recycling und, kurzfristiger, im „Re-Use“ von Materialien: „Es gibt sowohl im Fassadenbau als auch in der Sanierung eine steigende Nachfrage nach erneut einsetzbaren Materialien wie Glasscheiben die aus Altbauten stammen, denn sie bergen das Potenzial, den CO2-Footprint eines neuen oder sanierten Gebäudes sogar weiter zu reduzieren, als es mit neuen Produkten möglich wäre – sie sparen Ressourcen und Energie. Hier muss man jedoch abwägen, wann sich ein Re-Use mehr lohnt und wann das Recycling der Materialien sinnvoller ist.“ In Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis Klima und Nachhaltigkeit des Bundesverbandes Flachglas e.V. wird an der Uni Darmstadt von Dr. Miriam Schuster derzeit ein Ranking-System für Glasscheiben aus gebrauchten Isoliergläsern entwickelt. Der „Re-Use“ von Isoliergläsern bietet sich zum Beispiel an, wenn sie die erforderliche mechanische Festigkeit und einen brauchbaren Ug-Wert besitzen. Ist dies nicht gegeben, können Isoliergläser aufgetrennt, zerlegt, aufgearbeitet und erneut zu Isolierglas verarbeitet werden. Weist das Glas hingegen Kratzer, Glas- oder Schichtkorrosion, Fehler oder Kantenbeschädigungen auf, ist es sinnvoller, wenn es als Scherben in den Stoffkreislauf zurückgeführt wird.
Knaack glaubt, dass das Thema Re-Use eine starke disruptive Kraft besitzen könnte, also das Potenzial hätte einen Markt sinnbildlich auf den Kopf zu stellen: „Mit Re-Use lassen sich unmittelbare Fortschritte in Richtung Klimaneutralität erzielen, insbesondere wenn man an die Möglichkeiten des Upscalings denkt, das durch jüngst verfügbar gewordene Technologien zur automatisierten Trennung von Bestands-Isolierglas greifbar nah ist. Re-Use könnte in viele Prozesse und in sämtliche Phasen der Planung von Gebäuden vordringen.“ Knaack weist jedoch auf noch ungeklärte Fragestellungen hin: „Wer lagert die Isoliergläser aus Altbauten und wie kommen sie in erforderlicher Qualität aus dem Abriss – nicht jedes Gebäude ist sorgsam rückbaubar. Und wieviel sind die Verglasungen dann noch wert? Es ist zu erwarten, dass in den nächsten Jahren mehr und größere Plattformen entstehen, die diese wertvollen Materialien und Rohstoffe sammeln und anbieten – quasi ein Ebay für gebrauchte Baumaterialien.“