Metalle, Beton, Kunststoff sind Werkstoffe, mit denen es sich gut drucken lässt. Aber Glas? Unternehmen, Institute und Universitäten forschen an den Möglichkeiten und können Erfahrung schöpfen aus den erprobten Verfahren. Am häufigsten wird mit Kieselglas oder Borosilikatglas gearbeitet, die Anwendungen im Bereich der Kalk-Natron-Silikatgläser sind bislang seltener. Gedrucktes Glas lässt sich an vielen Stellen einsetzen, daher lohnt es sich, Zeit und Geld in die Forschung zu investieren.
Frankfurt am Main, 06. Oktober 2020 – In der Gebäudearchitektur wird Glas als Baustoff immer beliebter. Glas gilt als schick und modern. Der wachsende Bedarf an großen und individuell gestalteten Glasfassaden, die Funktionen übernehmen können, spornt die Konstrukteure an. Die Gläser dürfen nicht nur ästhetisch ansprechend, sondern müssen sicher fixiert und lange haltbar sein sowie dauerhaft der enormen Last standhalten können. Sichtbare Verbindungen und Lastaufnahmepunkte stören jedoch das Bild einer homogenen, transparenten Fassade. Um die Scheiben zu befestigen, werden in der Regel Löcher in die einzelnen Elemente gebohrt. Hierbei besteht die Gefahr, das Glas zu beschädigen und damit die Festigkeit zu reduzieren. Eine weitere Möglichkeit ist es, die Bauteile zu verkleben, mit dem Nachteil, dass Klebstoff durch UV-Bestrahlung schneller als die Fügepartner altern kann. Bei den gebohrten als auch bei den geklebten Verbindungen werden zudem Fügepartner mit unterschiedlichen mechanischen und thermischen Eigenschaften benutzt. Verwendet man Glas aus dem 3-D-Drucker als Verbindungsmaterial, beispielsweise als Punkthalter, so verbinden sich zwei identische Materialien mit den gleichen Eigenschaften. Damit vermeidet man die unterschiedliche Wärmeausdehnung der Materialien. Außerdem entfallen die beiden Risiken Bohrloch und Klebstoff.
Das Glass Competence Center (ISM+D und MPA-IfW) der Technischen Universität Darmstadt forscht daran, wie man eine stoffschlüssige Verbindung auf Floatglas mittels additiver Fertigung (3D-Druck) herstellen und dessen Steifigkeit gleichzeitig erhöhen kann. Die Wissenschaftler testen unter anderem das Fused Deposition Modelling Verfahren. Die Glaspaneele sollen zukünftig bis zu 3,25 x 20 m groß sein können. Zwei wichtige Faktoren sind die Prozesstemperatur und die Viskosität des Glases. Um eine Verbindung zwischen einer Scheibe und einer Glasstruktur zu erzeugen, muss die Scheibe an der Fügestelle deutlich über die Transformationstemperatur des Glases erhitzt werden. Ist sie zu kalt, verbinden sich die Strukturen nicht, ist sie zu heiß, treten ungewollte Verformungen des Glases auf. Wenn Eigenspannungen in der Verbindung entstehen, reduzieren sie deren Festigkeit und Fähigkeit Lasten aufzunehmen. Sprödes Materialverhalten sowie einzelne Prozess- und Materialparameter in Kombination können das Ergebnis ebenfalls stark beeinflussen. Eine homogene Verbindung in einer Wunschgeometrie mit einer ansprechenden transparenten Optik herstellen zu können, ist mit 3-D Druck auf jeden Fall möglich. Beantworten wollen die Wissenschaftler der TU Darmstadt auch die Frage, wie sich das Verfahren in einen automatisierten Prozess umwandeln lässt.
Freuen dürfen sich die Besucher der glass technology live auf der glasstec 2021 auf ein weiteres Forschungsprojekt. Die Wissenschaftler planen, eine Glastreppe mit Glaskonsolen aus dem 3-D Druck als Halterung auszustellen.
Tatsächlich wie Glas
Vergleicht man Materialeigenschaften, Umweltverträglichkeit und Rohstoffeigenschaften von Glas und Kunststoff, so siegt das Glas auf ganzer Linie. Das Glasschmelzen ist leider sehr aufwendig und teuer, daher bevorzugt die Industrie zum Teil Kunststoff. An der grundsätzlichen Bearbeitung von Glas hat sich seit Jahrhunderten kaum etwas verändert. Schleifen, Polieren oder Ätzen sind die gängigen Methoden. Die Glassomer GmbH entwickelt Materialien und Technologien, mit denen zunächst die Formgebung von polymeren Nanokompositen bei Raumtemperatur erfolgt und erst dann die Umwandlung zu einem Glas bei etwa 700 °C -1300 °C stattfindet. Glassomer® ist ein Silikat-Nanokomposit, das es als Feststoff, Paste oder Flüssigkeit ermöglicht, aus bestimmten Formulierungen hochreines Quarzglas zu fertigen. Flüssiges Glassomer lässt sich zur Vervielfältigung von Bauteilen bei Raumtemperatur durch Gießen oder Stereolithographie verwenden. Als festes Glassomer kann es mit klassischen subtraktiven Techniken wie Bohren, Fräsen, Drehen oder mit einem Messer strukturiert werden. Möglich sind auch thermische Polymerformungstechnologien wie Nanoimprinting, Thermoformen oder Rolle-zu-Rolle-Replikation.
Chemisch und physikalisch gleichen Glassomerteile handelsüblichem Quarzglas. Sie haben eine vergleichbar hohe optische Transparenz im sichtbaren sowie im UV- und Infrarotbereich, eine ebenso hohe thermische und chemische Stabilität und die gleiche mechanische Festigkeit. Mit zusätzlichen Feststoffen im Ausgangsmaterial lässt sich verhindern, dass die Glaskörper während der Herstellung kleiner werden. Es lassen sich auch Bauteile mit Gewinde herstellen. Einfache Technologien wie Gießen erlauben unkomplizierte Replikationen. Kleinere Bauteile lassen sich schon mittels einfacher 3-D-Drucker erzeugen. Für anspruchsvolle Aufgaben steht hochaufgelöste Mikrostereolithografie zur Verfügung. Mit diesem Verfahren lassen sich feinste Strukturen bis zu einem Durchmesser von wenigen 10 μm ohne Übergang erzeugen. Glassomer ermöglicht es erstmals, hochwertiges Quarzglas unter Verwendung von Polymerverarbeitungstechnologien zu strukturieren. Die Genauigkeiten der Abbildung liegen bei wenigen Mikrometern und Oberflächenrauheiten von wenigen Nanometern, was Anforderungen in der Optik und Photonik erfüllt. Leerräume in Körpern können Anwender beispielsweise mittels Opferschablone und feinsten Strukturen in Bulkmaterialien herstellen.
Erst schmelzen, dann drucken
Die Günter-Köhler-Institut für Fügetechnik und Werkstoffprüfung GmbH in Jena untersuchte gemeinsam mit der FH Aachen University of Applied Sciences das Laserstrahl-
Pulverbettschmelzen (L-PBF) von Borsilikat- und Quarzglaspulvern innerhalb der Prozesskette des 3-D-Druckens. Dieses Verfahren hat Vorteile: eine freie geometrische Formgebung, niedrige Produktionskosten in Klein- und Mittelserien und vergleichbare Bauteileigenschaften der Glaskörper. Die Wissenschaftler charakterisierten die Glaspulverklassen auf der Basis ihrer geometrischen, thermo- und mechanisch-physikalischen Eigenschaften und untersuchten, wie sie sich im L-PBF-Prozess bei unterschiedlichen Laserlängenwellen verarbeiten lassen. Dazu wurde die Anlagentechnik an die Bedingungen der Glasbearbeitung mit CO2-Laserstrahlung angepasst. Die Mühe lohnt sich, denn Glas erfüllt im Glasapparate- oder Chemieanlagenbau als Werkstoff Bedingungen, die Metall nicht bieten kann. Glas hat eine hohe Temperaturbeständigkeit, braucht damit zum Schmelzen einen hohen Energieeintrag und leitet Wärme schlecht. Wie sie dies und die schlechte Absorption bei der Wellenlänge von 1,064 μm überwinden können, wollen die Wissenschaftler erforschen. Sie konnten bereits nachweisen, dass sich die Glaspulver grundsätzlich verarbeiten und Prozessparameter festlegen lassen, wie beispielsweise die Laserleistung, Scanstrategie, Pulverschichtdicke oder Bauraumheizung und vieles mehr. Dazu stellten die Forscher Prüfkörper aus Borosilikat- und Quarzglas her und bewerteten anschließend deren Qualität. Die Parameter hängen wegen der Wärmeagglomeration stark von der geometrischen Form der Probe ab. Um die Qualität der Glasbauteile zu verbessern, ist es möglich, sie mit Wärme nachzubehandeln (Tempern). Weitere Untersuchungen sollen Porosität, Rauheit und Dichte bezogen auf die L-PBF-Parameter prüfen und klären, in welchen Anwendungsgebieten die Bauteile eingesetzt werden können.
Quarz- und Borosilikatglas sind wegen ihrer thermischen und chemischen Beständigkeit im Glasapparatebau, in der Mikrofluidik, Mikroelektronik, Optik oder in der Medizintechnik bewährte Werkstoffe. Ein weiteres ifw-Forschungsprojekt beschäftigt sich damit, ein additives Verfahren auf der Basis des „Laminated Object Manufacturing“ (LOM) zu entwickeln, um weitere industrielle Anwendungen zu ermöglichen. Dabei werden komplexe Glasbauteile, beispielsweise mit innenliegenden Kavitäten aufgebaut, die über konventionelle Fertigungstechnologien nicht herstellbar sind. Das Verfahren soll Laserstrahlschneiden und Diffusionsschweißen kombinieren. Außer bei Quarzglas kommt es beim CO2-Laserstrahlschneiden (λ = 10,6 µm) im Bereich der Schnittkante zu einer Veränderung der Glaszusammensetzung, des thermischen Ausdehnungskoeffizienten sowie zu einer Wulstbildung. Ziel der Forschung ist es, Prozessparameter für das jeweilige Glas zu definieren, um diese Auswirkungen zu beseitigen.
Wichtige Links:
glass.vdma.org
Haben Sie noch Fragen? Gesine Bergmann, Referentin Technik im Forum Glastechnik,
Telefon 069 6603 1259, gesine.bergmann@vdma.org, beantwortet sie gerne.
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