Die Digitalisierung in der Produktion schreitet voran. Monitore, Sensoren, Kameras und Serverstationen prägen das Bild moderner Produktionshallen. Der Mensch wird zum Beobachter und Überwacher von Herstellungsprozessen, manuelles Eingreifen wird zur Ausnahme. Zunehmender Fachkräftemangel macht den Unternehmen zu schaffen, kein Wunder, dass Automatisierung und Digitalisierung immer mehr an Raum gewinnen. Auch die Glasindustrie macht davor nicht halt. Vom Beginn der Produktionskette an bis hin zum kalten Ende gibt es geeignete Lösungen.
Die EME GmbH setzt auf die virtuelle Fabrik. Mit einem Prozessleitsystem von Siemens erstellt sie den digitalen Zwilling einer Anlage bevor sie in Betrieb genommen wird. Mittels Softwaresimulation und Echtzeit-Analyse gelingt es, Fehler bereits im Vorfeld zu entdecken und Gefahren zu minimieren. Für den Bediener lassen sich Notfallszenarien durchspielen, die im realen Betrieb nicht möglich wären. Die Simulationssoftware ist getrennt von der eigentlichen Anlagensoftware. Nachdem eine Anlage angelaufen ist, werden alle Daten gesammelt, archiviert und ausgewertet, eine Remote-Verbindung zum Kunden garantiert schnelles Handeln im Falle einer Störung. Ziel ist es, Standard-Interfaces zu etablieren, damit alle Geräte untereinander kommunizieren können, z.B. mit OPC-UA. Dabei ist es gleichgültig, welche Hardware zum Einsatz kommt, da das Konzept serverbasiert aufgebaut ist. EME hat mittlerweile das komplette Batchsystem auf Webtechnologie umgestellt. Für das Unternehmen liegt die Zukunft im Web. Ausschließlich die Browser müssen getestet werden, dann kann der Anwender jedes Endgerät verwenden. Der Anwender kann ERP- und andere MES-Systeme mit der Feldebene und SCADA verbinden, die als Insellösung durch eine Firewall geschützt sind.
Nichts dem Zufall überlassen
Prozesse zu digitalisieren ist sinnvoll, wenn das Unternehmen aus den Datenanalysen einen Nutzen ziehen kann. Das Management soll daraus im Idealfall nicht nur unmittelbare Maßnahmen ableiten, sondern auch Erkenntnisse für die Zukunft gewinnen. Noch immer fehlt häufig die Gesamtbewertung einer Produktionsanlage. Oft sind einzelne Segmente im Verlauf einer Linie digitalisiert und daher nur punktuell Datensammlungen vorhanden. Das Unternehmen UAS Messtechnik GmbH setzt mit seinen Entwicklungen und zukünftigen Forschungsprojekten auf besseres Energiemanagement und Kostenoptimierung über die gesamte Produktionslinie hinweg. Zusätzlich generierte Messdaten fließen dabei genauso in die Betrachtungen ein wie Rohstoffpreise und Qualitätsdaten der produzierten Artikel. Je nach Bedarf kann der Hersteller modulare Systeme mit den bereits vorhandenen Systemen koppeln, um die Produktion ganzheitlich darzustellen und zu optimieren. Arbeitet die Anlage mit fossilem Brennstoff und elektrischer Zusatzheizung, kann eine gekoppelte Steuerung je nach Bedarf Energie und Kosten einsparen. Diese Vorgänge müssen überwacht werden.
Schleichende Abweichungen lassen sich schwer feststellen. Mit Daten, Algorithmen und physikalischen Gesetzmäßigkeiten kommt man ihnen über einen längeren Zeitraum dennoch auf die Spur. Immer stärker werdende Reglereingriffe bei gleicher Sollwertvorgabe und ähnlichen Randbedingungen sind beispielsweise ein Hinweis auf die Alterung von Thermoelementen. Andererseits kann ein sich verändernder Istwert der Glastemperatur bei konstantem Sollwert und Reglerausgang an den Brennern auf eine Beeinflussung durch andere Parameter hinweisen, zum Beispiel auf veränderte Einstellungen der Elektrozusatzheizung.
UAS plant ein modulares System, dessen einzelne Tools unabhängig voneinander funktionieren. Es ist als Forschungsprojekt angelegt in Zusammenarbeit mit mehreren interdisziplinär tätigen Unternehmen und dem Technologie Campus Grafenau der Technischen Hochschule Deggendorf.
Smart bis ins letzte Ventil
Wer mit Druck arbeitet, benötigt Ventile. Ist ein Ventil kaputt, wird es ausgetauscht. Das war einmal. Auch vor Ventilen, die den Druck regeln, macht die Digitalisierung nicht halt. Die Ross Europa GmbH hat sich daher darauf konzentriert, ihre Proportionalventile fit zu machen für das smarte Arbeiten mit einer eigens entwickelten Software.
Sie hilft dabei zu erkennen, ob tatsächlich ein Ventil für Störungen im Produktionsablauf verantwortlich ist. Selbstdiagnose, Systemdiagnose und Kommunikation sind die Cluster der Smart-Funktionen. Eine 3-stufige Kommunikation kann Störungen melden, Prozesse monitoren oder analysieren. Mit einem Diagnose-Tablet können über eine RS485 Busleitung bis zu 254 Ventile angesprochen werden. Das System erkennt Einflussgrößen wie Spannungsschwankungen, Druckschwankungen, falsche Offsets und vieles mehr. Bis zu 14 Zustände sind über eine LED am Ventil darstellbar, ein Ringspeicher stellt erste Informationen zur Verfügung. Eine nähere Analyse der Daten und die Online-Messung mit spezieller Software auf dem zugehörigen Diagnose-Tablet zeigen Details der Prozess- und Einstelldaten. Die Überwachungsgrenzen und -funktionen sind ebenso wie die Parameter im Ventil hinterlegt., Nach 50 bzw. 65 Millionen Regelzyklen sendet das System Signale für eine vorausschauende Wartung oder einen Tausch. Dabei sind alle smarten Funktionen optional, die elektrische Standard-Schnittstelle ist unverändert. Die Ventile sind robust gegen Schmutz. Ein großer Vorteil in der Behälterglasproduktion.
Perfekt getrackt
Am kalten Ende in der Behälterglasproduktion warten andere Aufgaben. Die Auditierungsanforderungen der Lebensmittel- und Getränkeabfüller nehmen zu. Der Zustand jedes einzelnen Artikels soll ab dem Zeitpunkt der Inspektion lückenlos nachverfolgbar sein. Die MSK Verpackungs-Systeme GmbH hat sich auf genau diese Notwendigkeiten im Bereich der Intralogistik spezialisiert.
Ihre Visualisierungssoftware kommuniziert mit ERP-Systemen und Peripheriegeräten und ermöglicht es, Prozesse einheitlich und vernetzt zu steuern. Sie besitzt Schnittstellen zu allen bekannten SPS-Steuerungen und Betriebssystemen. Die Software basiert auf einer intuitiven Touch Surface Ebene. Die Automatisierung erleichtert den Auftragswechsel. Das System sammelt automatisch alle wichtigen Daten zu Produktions-, Stillstands-, Wartungs- sowie Störungszeiten und bringt diese zur Auswertung.
Mit einer integrierten Kalenderfunktion ist ein vorausschauendes Jobchange- und Wartungsmanagement möglich. Die Software zeigt Ursachen von Fehlern auf und bietet Lösungen an, auch per Fernwartung. Die Datenmanagement-Software EMSY analytics kombiniert die Daten aller Geräte in Echtzeit. Die zunehmende Digitalisierung ermöglicht es, selbstlernende Systeme zu entwickeln, welche die Effizienz steigern und dem ansteigenden Facharbeitermangel entgegenwirken können.
Ab Sommer 2020 bietet MSK darüber hinaus das Emsy smart an, welches ermöglicht, den Status von MSK-Systemen mobil zu überwachen. Virtual Reality Lösungen sind für 2021 geplant.
Wichtige Links:
glass.vdma.org
Haben Sie noch Fragen? Gesine Bergmann, Referentin Technik im Forum Glastechnik, Telefon 069 6603 1259, gesine.bergmann@vdma.org, beantwortet sie gerne.
Der VDMA vertritt rund 3300 deutsche und europäische Unternehmen des Maschinen- und Anlagenbaus. Die Industrie steht für Innovation, Exportorientierung, Mittelstand und beschäftigt rund vier Millionen Menschen in Europa, davon mehr als eine Million allein in Deutschland.