09.10.2014
Frankfurt/Main, 2. Oktober 2014 - Dr. Bernd-Holger Zippe ist Vorsitzender des Forums Glastechnik im Verband Deutscher Maschinen- und Anlagenbau (VDMA). In ihm ist der weit überwiegende Teil der in Deutschland ansässigen Hersteller von Glasmaschinen und -anlagen organisiert. Außerdem ist Zippe Geschäftsführender Gesellschafter der Zippe Industrieanlagen GmbH, einem weltweit führenden Hersteller von Gemengeanlagen für die Glasindustrie.
Herr Dr. Zippe, auch Ihr Unternehmen ist Aussteller auf der glasstec. Das kostet Sie viel Geld. Lohnt sich der Einsatz? Was bringt Ihnen das Engagement?
Die Teilnahme an der glasstec ist für uns ein Muss. Sie ist und bleibt die Weltleit-messe und damit die wichtigste Messe für die Bereiche Glas und Technik für die Glasindustrie. Man hat, im Vergleich zu anderen Messen, die meisten Besucher und wichtigen Kontakte. Die glasstec bietet einen umfassenden Überblick über das weltweite Angebot - und das für jeden Besucher und innerhalb kürzester Zeit. Sie ist ein Spiegelbild der Innovationskraft unserer Industrie. Dass dort die deutschen wie auch die ausländischen Hersteller ihre Top-Innovationen zeigen, unterstreicht ihre Wichtigkeit. Das Forum Glastechnik und damit der VDMA unterstützen die Messe nach Kräften. Wir haben das Rahmenprogramm, das viele Highlights bietet mit gestaltet, werben unter anderem auf Pressekonferenzen im In- und Ausland für die Messe und sind auch sonst immer da, wenn man uns braucht. Was Ihre Frage nach dem Engagement anbelangt: Für uns lohnt sich eine Beteiligung an der glasstec auf jeden Fall. Wir sind froh, dass es diese Messe gibt.
Weltweit gibt es mehr als zehn Branchenmessen. Ist das angemessen und muss man überall dabei sein?
Nein, es gibt zu viele auch lokale Messen. Inzwischen hat fast jede Region auf der Welt den Ehrgeiz, eine eigene Glasmesse zu haben. Es gibt sogar Wandermessen. Das Ganze scheint ein lukratives Geschäft zu sein. Es wird erstaunlich viel Geld verdient. Es gibt Messen, die für die Hersteller von Glasbe- und –verarbeitungs-maschinen interessant, für Unternehmen, die sich mit der Glasschmelze befassen, jedoch völlig uninteressant sind. Es kommt also auf die Produkte an, die jeweils hergestellt werden. Danach richtete sich dann auch, an welcher Messe man teilnimmt.
Die deutschen Glasmaschinenhersteller sind im globalen Vergleich sehr gut aufgestellt. In vielen Bereichen sind sie Weltmarktführer. Wird die Industrie diese Position mittelfristig halten können?
Mit Einschränkungen, ja. Es gibt erfreulich viele Innovationen und erfreulich viele innovationsstarke Unternehmen. In der überwiegenden Mehrzahl sind sie gesund aufgestellt. Natürlich dürfen wir uns deshalb nicht zurücklehnen. Die Italiener waren, sind und werden auch weiterhin unsere Wettbewerber bleiben. Das sind sehr innovative, flexible und kreative Firmen. Der Hauptwettbewerber in der Zukunft wird aber China sein. Die chinesischen Unternehmen wachsen schnell, weil sie zu Hause einen riesigen Markt bedienen können. Wenn sie dann ins Ausland gehen, spielt sich das immer nach einem festen Schema ab. Zuerst werden die umliegenden, meist weniger entwickelten Märkte bedient. Erst wenn sie dort Fuß gefasst und sich mit der internationalen Branche vertraut gemacht haben, expandieren sie in Länder wie Belgien, Spanien oder auch nach Deutschland. Sie kommen sozusagen von hinten herum in die Branche herein. Die Chinesen darf man nicht unterschätzen.
Wie groß ist der Druck aus China und was tun die deutschen Hersteller, um ihm Paroli zu bieten?
Der Druck aus China ist da. Manche Kunden erwarten geradezu, dass man in China fertigt oder einkauft, um einfach noch billiger zu sein. Ich sage bewusst billiger, nicht preiswerter, weil die Qualität dort noch lang nicht die gleiche ist wie in Deutschland. Aber es gibt einen gewissen Wettbewerbsdruck. Vor allem in den Schwellenländern haben wir es mit chinesische Wettbewerbern zu tun. Ganz deutlich ist das beispielsweise in Indonesien, wo ein großer Teil der Zulieferung für die Glasindustrie inzwischen aus China kommt und nicht mehr nur aus Europa oder Amerika. In Indonesien haben sich die Chinesen gut etabliert. Was tun die deutschen Hersteller, um ihnen Paroli zu bieten? Die Antwort ist relativ einfach. Sie gehen auch nach China. Einer unserer Wettbewerber hat sich gerade an einem chinesischen Mitbewerber beteiligt. Wir haben auch ein Unternehmen in China eröffnet, um uns dort besser zu positionieren und auch weiterhin in China zu verkaufen. Der Druck aus China ist in etlichen Bereichen spürbar. Bei den Hightech-Anlagen und in Kerneuropa noch nicht so stark. Allerdings müssen wir uns darauf vorbereiten, dass das kommt.
Wo liegen die Zukunftsmärkte? Welche Staaten oder Regionen sind für die deutschen Hersteller besonders interessant?
Das kann man schwer global beantworten. Die Märkte schwanken sehr stark. Derzeit freuen wir uns darüber, dass die Nachfrage aus den Golfstaaten wieder anzieht. Afrika, und hier vor allem die Staaten Zentralafrikas, dürften mittelfristig sicherlich hoch interessant werden. Der Kontinent gerät zunehmend in den Blickpunkt der Investoren. Da ist sicherlich noch etliches zu erwarten. Nordamerika ist für viele unserer Mitgliedsfirmen ein wichtiger Markt. Auch Zentralasien hat ein gewisses Entwicklungspotential.
Wie kann die Politik die Unternehmen unterstützen? Woran mangelt es und was würde sich die Branche wünschen.
Es sollten mehr Anstrengungen seitens der Politik unternommen werden, junge Leute für technische Berufe zu begeistern. Der Wohlstand in Deutschland basiert vor allem auf seiner weltweiten Technologieführerschaft. Um diese Stellung zu halten, muss das Bildungs- und Ausbildungsniveau hoch gehalten werden. Und zwar sowohl inhaltlich als auch materiell. Technik und Naturwissenschaften müssen ein fester Bestandteil unseres Bildungssystems werden bzw. bleiben. Nur wenn dies geschieht, wird Deutschland auf Dauer seine starke Stellung als Industriestandort halten können. Der VDMA und seine Mitgliedsunternehmen sind hier sehr aktiv. So arbeiten Firmen beispielsweise mit Kindergärten, Schulen und Hochschulen zusammen, um mehr junge Menschen dafür zu begeistern, einen technischen Beruf zu ergreifen.
Unterstützung brauchen wir von der Politik auch bei der Realisierung neuer Geschäftsmodelle. Die deutsche Industrie ist in ihren traditionellen Bereichen sehr gut aufgestellt und global führend. Wir sind zum Beispiel bei der Mechanik und Elektronik weltweit die Nummer eins. Doch die Vernetzung nimmt hier rasant zu. Um mit dieser Entwicklung Schritt zu halten, benötigen wir neue Geschäftsmodelle. Sie zu realisieren geht nicht selten über die Möglichkeiten eines einzelnen, insbesondere mittelständischen Unternehmens deutlich hinaus. Deshalb brauchen wir unternehmensübergreifende Kooperationen. Und dabei kann uns die Politik unterstützen. Unser Unternehmen beispielsweise ist eine Kooperation mit einem Schmelzwannen-, einem Formgebungsmaschinenhersteller für den Hohlglasbereich und einem weiteren Unternehmen, das sämtliche Maschinen für das kalte Ende produziert, eingegangen. Damit sind wir in der Lage eine komplette Glashütte anzubieten, was kein anderes Unternehmen auf der Welt kann. Die Zukunft liegt also in Kooperationen.
Ganz wichtig ist für uns auch die Datensicherheit in der Produktion. Hier wünschen wir uns, dass die Politik uns gegen jedwede Art Industriespionage nach Kräften schützt. Gegen einen Profihacker hat ein mittelständisches Unternehmen keine Chance. Da brauchen wir die Hilfe der Regierung.