Vor zwei Jahren haben Sie eine Masterarbeit zum Thema „Die Renaissance des Glasbausteins“ betreut. Welche Potenziale hat der Glasbaustein heute, und in welchen Einsatzgebieten?
Jutta Albus; Aus ästhetischer Sicht haben Glasbausteine enorme Potenziale – von der Lichtwirkung, die sie in Innenräumen erzeugen, bis zur Möglichkeit, daraus geschwungene Gebäudefassaden herzustellen. Im Wohnungsbau werden sie eher selten eingesetzt, aber für öffentliche Gebäude, Bürohäuser und Forschungsbauten sind sie in jedem Fall eine gute Option.
Dem entgegen steht allerdings der überschaubare Dämmwert von Glasbausteinen. Eine Lösung könnten zweischalige Außenwandkonstruktionen sein, wie sie zum Beispiel der Schweizer Architekt Roger Boltshauser in seinen Gebäuden verwendet.
In Zukunft wird die Entwicklung kreislauffähiger Glasbausteinkonstruktionen unabdingbar. Ich denke zwar nicht, dass der spätere Rückbau die alles entscheidende Frage beim Entwurf eines Gebäudes sein sollte. Stattdessen müssen lange Nutzungszyklen und die Langlebigkeit des Gebäudes im Vordergrund stehen. Dennoch wäre es aus Sicht der Nachhaltigkeit elementar, Glasbausteinwände mörtelfrei oder mit wieder lösbaren Verklebungen zu konstruieren.
Gemeinsam mit mehreren Lehrstühlen der TU München betreuen Sie derzeit das Forschungsprojekt „Einfach (um)bauen“. Worum geht es, und auf welche Lösungsansätze fokussieren Sie dabei?
Jutta Albus; Bei dem Projekt betrachten wir vor allem Wohnbauten bestimmter Baualtersklassen, die in der Regel eine besonders schlechte Energieeffizienz und einen niedrigen Dämmstandard haben. Dort stellen wir uns die Frage, wie sich mit möglichst einfachen Mitteln der Energieverbrauch und die CO2-Emissionen reduzieren lassen. Das muss nicht immer eine aufwändige Dämmung der Gebäudehülle sein – oft steigern auch eine Dämmung der obersten Geschossdecke und ein Austausch der Heiztechnik die Energieeffizienz. Grundsätzlich schließen wir eine zusätzliche Dämmung nicht aus. In unserem Forschungsprojekt untersuchen wir jedoch, wo sie besonders kosteneffizient und zugleich energetisch wirksam ist.
Ein wichtiges Projektziel bei „Einfach (um)bauen“ ist, dass energetische Einsparungen nicht nur auf dem Papier, sondern in der Realität erzielt werden sollen. Oft stellen sich bei Sanierungen ja Rebound-Effekte ein: Nach der Sanierung heizen die Bewohner mehr, und dadurch verpufft ein Teil der Einsparungen. Das wollen wir vermeiden, indem wir das Nutzerverhalten in den Wohnungen genau analysieren. Hilfreich ist dabei, dass mit der „Münchner Wohnen“ die größte städtische Wohnungsbaugesellschaft Münchens als Projektpartner mit im Boot ist.
In Ihrer Forschung befassen Sie sich schon länger mit Vorfertigung und modularem Bauen. Welche Potenziale bieten diese Methoden, um das Bauen – nachhaltig und das nachhaltige Bauen wirtschaftlicher zu machen?
Jutta Albus; Ein großer Vorteil liegt in der Material- und Ressourceneinsparung, weil die Komponenten unter kontrollierten Bedingungen in der Werkhalle produziert werden statt auf der Baustelle. Außerdem lässt sich in der Regel viel Zeit einsparen, weil zum Beispiel die Baustellenvorbereitung und die Vorfertigung im Werk parallel laufen können. Und eine kürzere Bauzeit schlägt sich in einer höheren Rendite für den Bauherrn nieder.
Um ökologische Potenziale auszuschöpfen und Emissionen gering zu halten, sollten Werkhalle und Baustelle nicht zu weit auseinanderliegen und Transportdistanzen im Rahmen bleiben. Eine wichtige Frage – für den Transport wie auch für die Nutzung der Räume – ist auch die Überlegung, wo man Raummodule verwendet und wo flächige Bauteile. Damit beschäftigen wir uns im Moment in unserem Forschungsprojekt „Modular – zirkulär – digital“. Gemeinsam mit den Unternehmen Solid.Modulbau und Design-to-production soll ein digitales Tool entwickelt werden, das anhand ganz einfacher Grundlagen – das kann eine Strichzeichnung eines Grundrisses sein oder ein Raumprogramm in Form einer Excelliste – automatisch eine Gebäudekonstruktion entwickelt. Das Programm soll dabei selbstständig entscheiden, für welche Gebäudeteile welche Art der Vorfertigung und welche Baumaterialien die nachhaltigsten und effizientesten sind.
Bedingt die Vorfertigung eine andere Denk- und Arbeitsweise bei Architekten, um ihre – auch ökologischen – Vorzüge voll zu nutzen?
Jutta Albus; Ich denke schon. Wenn ich die Potenziale des modularen Bauens wirklich heben will, muss ich mich auf den Systemgedanken einlassen. Viele Architektinnen und Architekten sehen das eher skeptisch – aber ich finde es durchaus spannend, sich mit den Grenzen eines solchen Systems auseinanderzusetzen und auszutesten, welche gestalterischen Freiheiten es trotz allem ermöglicht.