Im Projekt FiReGlass entwickeln Sie Träger aus Verbundsicherheitsglas mit definierten Brandschutzeigenschaften. Womit erreichen Sie den erhöhten Brandschutz?
Wenn Glas einer Brandlast ausgesetzt ist, wird es schnell heiß und dadurch stark verformbar. Die Folien in Verbundsicherheitsglas, welches für solche Träger verwendet wird, schmelzen relativ schnell und verlieren dadurch ihre Funktion. Wir vermeiden das, indem wir den Glasträger mit einem Brandschutzgel und einer weiteren Glasscheibe umhüllen. Außerdem haben wir im Rahmen des Projekts einen neuartigen Kantenschutz und eine spezielle Auflagerkonstruktion entwickelt. Diese drei Innovationen sorgen dafür, dass sich der Kern des Glasträgers deutlich weniger stark erhitzt und damit länger tragfähig bleibt als eine Referenzkonstruktion ohne die Schutzhülle. Beide Träger stellen wir auf der glass technology live gemeinsam aus.
Träger aus Verbundsicherheitsglas gab es auch früher schon. Wie hat man den Brandschutz bei Ihnen bisher gelöst?
Im Wesentlichen auf organisatorischem Wege, indem zum Beispiel Fluchtwege nicht an solchen Konstruktionen vorbeiführen. Das wiederum schränkt jedoch die Gestaltungsfreiheit in der Architektur ein. Wir haben in Bezug auf den tragenden Glasbau noch einen enormen Forschungsbedarf. Im Vergleich etwa zum Stahl- oder zum Holzbau fehlt uns das Wissen darum, wie wir den Brandschutz tragender Glaskonstruktionen auch ohne aufwändige Versuche nachweisen. Unser neuer Glasträger könnte ein Weg sein, mehr Gestaltungsfreiheit zu erlangen und trotzdem mindestens auf dem gleichen Sicherheitsniveau zu bleiben wie bisher.
Schon seit Jahren beschäftigen Sie sich am Institut intensiv mit dem Thema Dünnglas. Woher kommt das Material, und wo liegen seine Potenziale für die Architektur?
Wir alle kommen täglich mit Dünnglas in Kontakt – etwa an den Displays unserer Mobiltelefone. Dünne Gläser haben den Vorteil, dass sie sich leicht verformen lassen und wenig wiegen. Die Herausforderung liegt nun darin, vom kleinen Maßstab eines Displays zur Größenordnung eines Gebäudes zu kommen.
Wie gehen Sie dabei vor?
Ein Beispiel ist unser Forschungsprojekt L3ICHTGLAS. Dabei stellen wir mit dem 3D-Drucker eine Rippenstruktur zum Beispiel aus teiltransparentem Kunststoff her, die zwischen zwei Dünnglasscheiben eingebettet wird. Das Glas schützt den Kunststoff, und dieser verleiht den Glasscheiben die notwendige Stabilität. Bisher können wir mit diesem Verfahren Verbundelemente produzieren, die nicht ganz raumhoch sind. Für Anwendungen im Innenraum ist das schon recht vielversprechend. Die Übertragung auf die Gebäudehülle ist dann der nächste Schritt. Dabei befassen wir uns unter anderem mit dem Wärme- und Schallschutz sowie der Absturzsicherung.
Der Polymerkern hat nicht nur eine statische Funktion, sondern ist auch ein gestalterisches Element.
Ja, natürlich. Die additive Fertigung hat dabei den Vorteil, dass wir damit sehr individuelle Geometrien erzielen nach dem Prinzip Design to Production. Damit beeinflussen die Elemente die Ästhetik von Fassaden und Räumen – und sie lassen sich in puncto Lichtlenkung und Verschattungswirkung punktgenau auf den jeweiligen Einsatzort im Gebäude abstimmen. Üblicherweise bestehen Gebäudefassaden ja aus vielen gleich – oder ähnlich – großen Glasscheiben. Diese Gleichförmigkeit kombinieren wir nun mit einer großen Gestaltungsvielfalt im Detail.
Wie ist die Resonanz aus der Fassadenbranche bisher auf Ihre Dünnglas-Entwicklungen?
Bei den Projekten arbeiten wir direkt mit Partnern aus der Industrie zusammen. Dadurch können sich die Unternehmen ein attraktives Alleinstellungsmerkmal erarbeiten und lernen viel über die Verarbeitung von Dünnglas. Doch die Wirkung der Projekte geht noch darüber hinaus: Da ist ein neues Material, das ganz neue Möglichkeiten mit sich bringt, aber auch ein neues, konstruktives Denken erfordert. Das wirkt inspirierend in den Markt hinein. Wir leisten quasi die technische Vorarbeit, die andere zu neuen, architektonischen Visionen weiterentwickeln können.